ReiseGuru extrem: Ausflug in die Todeszone – Prypjat und Tschernobyl-Stadt

Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl (richtigerweise müsste es von Prypjat heißen) ereignete sich am 26.April 1986. Bis heute ist das Gebiet stellenweise massiv radioaktiv kontaminiert.

Die Stadt Prypjat, die eigens für Mitarbeiter und deren Familien im Jahre 1970 erbaut wurde (im Gegensatz zu Tschernobyl, das seit dem Jahr 1193 existiert und seit dem Reaktorunfall zu einer der zehn am stärksten verschmutzten Städte der Welt gehört), ist heute eine Geisterstadt. Die damals rund 50.000 Menschen wurden (verspätet und bereits total kontaminiert) evakuiert. Zurück blieb eine Stadt, die aus lauter Habseligkeiten der dort bis zum Unglück lebenden Menschen besteht. Ursprünglich teilten die Behörden den Bewohnern Prypjats mit, sie dürften nur eine Tasche in den Bus mitnehmen, da sie nach drei Tagen wieder zurückkehren würden. Heute ist es ihnen erlaubt, einmal pro Jahr ihre Heimatstadt wieder zu besuchen.

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Ausflüge in das Sperrgebiet (30km-Zone und 10km-Zone bis 250 Meter vor den Reaktorblock 4) werden von Kiew aus angeboten. Die Sperrzone liegt nur rund 15 km entfernt von der Grenze zu Belarus und circa 110 km von der Hauptstadt der Ukraine. Auch wenn noch heute stellenweise in Kiew erhöhte Radioaktivität gemessen wird, war und ist die Verstrahlung in Belarus aufgrund der damaligen Winde viel höher. Auch in Bayern sind manche Fleischsorten radioaktiv verseucht, da es zur damaligen Zeit des Unglücks in Bayern regnete und die Wolke durch das Nass in den Boden ging und bis heute von den Tieren aufgenommen wird.

Die Reise in das Sperrgebiet kostet zwischen 100 und 150 Euro. Eine der ersten und bekanntesten Veranstalter ist Solo-East Travel. Gleich vorweg: Sie brauchen keine Angst zu haben, dass sie sich vor lauter Touristen für irgendetwas lange anstellen müssen. Wir, das waren in toto fünf Personen (aus New Orleans, Sydney, Kopenhagen, Liverpool und eben Wien), waren die einzigen in der Sperrzone an diesem Tag. Treffpunkt ist wie bei allen Anbietern der Maidan, der Unabhängigkeitsplatz in Kiew, gleich neben dem Mc Donalds. Abfahrt war um 08:45, und die Fahrt dauert im Normalfall 1,5 Stunden.

Aufgrund des starken Schneefalls und weil eigentlich überall in den ehemaligen Sowjetrepubliken nicht gestreut/gesalzen wird (auf Straßen wie auch auf Gehwegen) verzögerte sich die Ankunft beim Check-Point der 30km-Sperrzone um 1 Stunde.

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Es ist absolut verboten, die Sperrzone ohne Führer und Erlaubnis der Regierung zu betreten. Trotzdem hat sich mittlerweile eine Gruppe (stalker-tour.com) von Erlebnistouristen gefunden, die sich irgendwo in die Zone reinschleicht um dort ein bekanntes Videospiel, das die Geisterstädte/-und Dörfer nachstellt, in Realityversion nachzuspielen. Auch campen ab und zu Menschen angeblich irgendwo, was natürlich strengstens verboten ist. Wenn man übernachten möchte, dann nur in Tschernobyl-Stadt im einzigen vorhandenen Hotel. Viele dieser Menschen zahlen bei etwaigem Aufspüren durch die Polizei die Strafen lieber als eine geführte Tour, da diese mehr kostet. Auch problematisch ist das Mitnehmen mancher Dinge (Schulhefte, Puppen, Bilder etc.) aus der Geisterstadt, da diese stark kontaminiert sind und zu Hause im jeweiligen Land des Touristen natürlich eifrig weiterstrahlen.

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Der Weg zur Sperrzone führt über eine ausgestorbene lange Straße. Außer ein paar Militärtransportern und Schneeschauflern begegneten wir niemandem. Auf dem Weg dorthin, bekamen wir im Bus einen circa 80 Minuten langen Videofilm über die Katastrophe präsentiert. Obwohl ich mich gut auf die Reise vorbereitet, viel gelesen und Dokus angesehen hatte, fragte ich mich dann während dem Videofilm doch, ob das die richtige Entscheidung war, hierher zu fahren. Das Wetter trug das seine dazu bei, sich nicht gerade wohler zu fühlen. Es wehte und hatte minus 10 Grad und einsetzenden Schneefall.

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Nach der Kontrolle am ersten Check-Point war die erste Station ein kleines Dorf (wir befanden uns noch weit vor der 10km-Sperrzone), wo wir die einzige Bewohnerin besuchen wollten. Da sie nicht da war, machten wir kehrt und stiegen wieder in den Wagen ein. Das Dorf war wie alles hier im Tiefschnee, und wir hatten Mühe voran zu kommen. Langsam näherten wir uns der 10km-Zone. Bei der Einfahrt in die Zone spielten dann die Geigerzähler verrückt, und der Stille wich ein widerliches Gepiepse. Ein herzliches Willkommen bei der Einfahrt auf einem großen Stein war wohl auch eher Galgenhumor, da dieses Gebiet für das Leid abertausender oder gar Millionen Menschen (wenn man die Zeit bis heute nimmt und die Folgeschäden abschätzt) steht.

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In Prypjat endlich angekommen durchfuhren wir den „Roten Wald“ und machten Halt am Leninplatz, dem Zentrum der Stadt. Dort gingen wir ein bis zwei Stunden spazieren (bzw. stapften wir durch den Schnee, da in einer Geisterstadt natürlich auch keine Schneeräumung ist) und besuchten das Kultur- und Sportzentrum sowie den Kindergarten und eine Schule.

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Das Riesenrad als das Wahrzeichen Prypjats (der Rummelplatz hätte am 1.Mai feierlich eröffnet werden sollen, doch fand die Katastrophe kurz vorher statt) durfte natürlich auch nicht fehlen. Sogar eine Firma darf Prypjat als seine postalische Firmenadresse angeben. Sie fertigt spezielle Anzüge für die in der Zone lebenden Menschen.

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Schlussendlich stand der Unglücksreaktor auf dem Programm. Bis zu 250 Meter darf man sich annähern. Die anderen Reaktoren neben dem Unglücksblock 4 sind unbeschadet. Dort arbeiten auch nach wie vor Menschen. Der Reaktor 4 ist mit einem mittlerweile etwas undichten Sarkophag ausgestattet. Der neue Sarkophag wird aus Sicherheitsgründen in 300 Meter Entfernung soeben neu errichtet und dann mit einer Schiene in ein/zwei Jahren über den Reaktor geschoben.

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Abschließend bekamen wir in der Werkskantine in Tschernobyl noch ein Abendessen. Die Kantine ist für alle Arbeiter und jene, die hier leben (ca. 300-500 Personen) in der 30km-Zone. Sie können sich die Wohnung oder das Haus in der Stadt selbst aussuchen (es wird ihnen diese sicher niemand streitig machen), und sie werden auch in der Kantine täglich mit allem, das sie zum leben brauchen, kostenlos verpflegt.

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Erschreckend, aber doch sehr empfehlenswert, so eine Reise in ein Gebiet, das auch aus Mutanten besteht. Schließlich leben hier eigenartige Tiere und verändern sich in Verhalten und Aussehen (man sieht sie eher im Sommer, die, die wir gesehen haben,verkrochen sich viel zu schnell wieder wegen dem kalten Wetter). Die Regierung ließ auch mehrere Pferde und Wildschweine im Gebiet aus, um zu testen, wie sich diese in einem verstrahlten Gebiet verändern.

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Langsam fahren wir wieder raus aus der Sperrzone. Für mich war die Reise sehr interessant. Vor allem war es beeindruckend zu sehen, wie nur ein Reaktor Menschenmassen tötet oder furchtbar in Mitleidenschaft versetzt. Dutzende Kriege schaffen das nicht in derart effizienter Weise. Man kann eigentlich nur hoffen, dass sich solch Katastrophen nicht wieder wiederholen.

Fotos und Text: Wolfgang Glass

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