Flughafen Wien Schwechat: Globaler Zusammenhang garantiert und bestimmt unausweichlich. Mein Flug geht, wie die meisten in diese Region der Erde, aus dem Keller des Flughafens weg. Gate D70, da wo auch die Flugzeuge nach Arabien oder auf den Balkan abfliegen und man sich nicht zu wundern braucht, wenn Menschen am Boden auf einem Teppich kniend vor dem Abflug noch gen Himmel zu Allah Stoßgebete schicken.
Die Flüge in den (Süd-)Kaukasus nach Tbilissi, Baku und Eriwan gehen aus Wien direkt und zu normalen Zeiten. Lediglich für Aserbaidschan benötigt man ein Visum der Botschaft in Wien und dann auch gleich höchstpersönlich, wegen den Fingerabdrücken und nicht „bequem“ über Visum-Support Firmen. Sollte man gleich zwei Städte auf einmal besuchen wollen, dann ist die Bahnverbindung zwischen Eriwan und Tbilissi (eine Nachtreise für circa 400 km) empfehlenswert. Man sollte jedoch zuerst nach Eriwan fliegen und dann nach Georgien mit dem Zug fahren, da es keine sichere legale Verbindung nach Aserbaidschan (Bergkarabach-Konflikt) gibt. Der Anflug auf Tbilissi (oder Tiflis) war auch ein typisches Flugerlebnis, für diese Gegenden der Erde. Nur fünf Sekunden nach dem Aufsetzen der Maschine steht die Hälfte der Passagiere im Gang und sucht nach seinen Habseligkeiten oberhalb der Sitze, während der Flieger noch mit 200 km/h die Rollbahn entlang fährt.
Tbilissi, die Hauptstadt Georgiens wird von mehreren Hügeln umgeben von denen man ständig einen wunderschönen Blick auf die Stadt erhaschen kann. Mehrere Seilbahnen verbinden die Innenstadt mit den Hügelspitzen bzw. verbinden die Hügel miteinander. Die Marschrutkas sind natürlich auch in Tbilissi ein verlässlicher Transport. Man kann sich übrigens problemlos mit Englisch durchschlagen. Vor allem die jüngere Generation bis 40 kann so gut wie immer Englisch. Das hängt auch damit zusammen, dass Georgien nie wirklich sowjetophil und stets auf einen eigenen Weg bedacht war. Kaukasier waren während der Sowjetzeit (und leider auch heute noch) nicht sehr beliebt. Die gut eine Million zählende Hauptstadt Georgiens ist problemlos zu Fuß erkundbar, allerdings nicht nur in der Ebene. Auch das halsbrecherische Überqueren von Hauptstraßen fällt dank gut ausgebauter Straßen-Unterquerungen oder Brücken fast vollständig weg.
Empfehlenswert ist ein Spaziergang entlang der Kura. Der braun-grau gefärbte Fluss durchschneidet die Stadt, und vom Ufer aus kann man den am Abend beleuchteten Präsidentenpalast sehen. Übrigens wirkt der Palast wie eine eiförmige Kopie der Berliner Reichskuppel.
Zum Palast gelangt man am Besten zu Fuß (vom Ufer aus gesehen auf der rechten Seite) und geht auf der anderen Seite durch ein nettes Wohnviertel wieder runter. Ebenso lohnt es sich, die Festung Nariquala zu besuchen, von wo aus man einen schönen Blick auf die Altstadt genießen kann. Etwas außerhalb des Stadtzentrums merkt man dann entlang der Ufer eine „ost“-typische Verwilderung der Gehwege – öffentliche Parkpflege ist eben eine teure Angelegenheit, und so scheint es, als hole sich die Natur die Stadt zurück.
Auch ein Fixpunkt sollte das Pantheon sein, das man am Besten mit einer der Standseilbahnen erreicht. Runter kann man dann auch teilweise über Treppen zu Fuß durch eine Wohngegend hinab zur Altstadt steigen und auf dem Weg die Aussicht genießen und auch die zahlreichen Baustellen und die dem Einsturz harrenden Wohnhäuser begutachten.
Man will ja schließlich nicht nur die Stadtzentren sehen – die sind ja meist herausgeputzt und geben nicht immer die ganze Wahrheit einer Stadt preis. Unten angekommen ist die größte Kathedrale des Südkaukasus (Armenien, Georgien, Aserbaidschan), die Sameba-Kathedrale, nicht mehr weit.
Auf den Spuren der Seidenstraße in der Altstadt spaziert man dann am Rustaweli Boulevard entlang, der am Freiheitsplatz beginnt und am Platz der Republik endet (ca. zwei Kilometer), beziehungsweise mit einem großen Kinokomplex (auch englische Filme). Der prachtvolle Boulevard ist auch das Zentrum der Stadt: Hier fanden und finden bedeutende Demonstration statt. Übrigens: Es jährt sich im November der zehnte Jahrestag der Rosenrevolution. Just am Ende der Regentschaft von Präsident Saakaschwili. Beim Flanieren auf dem zentralen Boulevard läuft man vorbei an einer scheinbar wohlinformierten Armee mit drahtlosen Funkgeräten, die auf diese hysterisch einplappert und drückt (technische Errungenschaften wie das I-Phone und das I-Pad gehören hier oftmals zum Standard und Status, vor allem dann, wenn es für einen tiefer gelegten, aufgemotzten BMW oder Mercedes doch nicht gereicht hat), weiter geht’s flankiert von der siegreichen Glitzerwelt der Marktwirtschaft. die Kleidung, Schmuck und technische Geräte feil bietet, vorbei, und schlussendlich laden einige Restaurants und Cafes zum Verweilen ein, wo Menschen – zumeist auch schon auf den neuesten Stand gebracht – durchsetzt von Westfett ihre Speisen und Getränke genießen.
Auch die Metro hat in der Hälfte des Rustaweli Boulevard eine Station. Die U-Bahnstationen sind aber nicht zu vergleichen mit denen aus Moskau oder St. Petersburg – also wirklich nur zum U-Bahn fahren empfehlenswert. Am Freiheitsplatz hat man es dann nicht mehr weit zur Kura, die abends ein wunderschönes Stadtbild ergibt, wenn die emporragenden Felsen beleuchtet sind und sich am Wasser „spiegeln“. Die Stadt ist perfekt für eine zwei bis drei Tagesreise. Sie ist problemlos zu Fuß erkundbar und wartet nicht nur mit schönen Gebäuden und Aussichten der Hügel auf, sondern sie lässt den Besucher auch nicht verhungern und verdursten. An deftigen (auch fleischlosen) Speisen, Bier und Wein fehlt es nicht, ebenso wie an einer an die unterschiedlichen Portemonnaies zugeschnittenen Hotellerie und Backpacker-Community. Die Preis/Leistung ist allemal in Ordnung.
Auch für Thermenbegeisterte bietet die Stadt mit seinen Heilbädern, die in einem eigenen Bezirk am Rande des Zentrums seit mehreren 100 Jahren liegen (also auch während der Perserzeit), ein reichhaltiges Angebot. Last but not least hat Tiflis auch den bekanntesten Fußballklub des Landes. Die Fankultur von Dinamo kann sich durchaus sehen lassen, das Stadion mit der Laufbahn dafür weniger (Boris-Paitschadse-Nationalstadion, Heimstätte Dinamos und der Nationalelf). Typisch im ehemaligen Sowjetimperium ist, dass das Stadion mit seinem Fassungsvermögen von über 50.000 Plätzen mitten in einem Wohn- und Geschäftsgebiet liegt, da es früher kaum Individualverkehr gab, und somit waren die Stadien in Gehreichweite.
Doch auch heute ist der Motorisierungsgrad im Verhältnis zu Westeuropa gering, was insofern sehr angenehm ist, als die Stadt nicht wie Rom in der Geisel des Privatverkehrs erstickt. Jedenfalls liegt das Stadion auch nahe einem gut gefüllten Markt in der Nähe des Hauptbahnhofs. Beides zwei absolut sehenswerte Gustostückerln, sofern man etwas für Sowjetcharme über hat.
Von dort kann man dann entweder durch den durchaus gepflegten Park nahe dem Stadion wieder in die City marschieren, oder man setzt sich in die Metro und steigt am Rustaweli wieder aus, was wahrscheinlich auch sinnvoll ist, da bis auf den Park die Gegend nicht viel hergibt. Am Rustaweli finden sich übrigens auch die meisten Clubs und Bars für die Abend- und Nachtgestaltung, vor allem nach dem Freiheitsplatz in Richtung stadtauswärts innert des ersten Kilometers auf der linken Seite. Das Nachtleben in Tbilissi ist insgesamt aber recht überschaubar.
Fotos: Wolfgang Glass