„Alto Adige“ wird Südtirol in der italienischen Sprache genannt, und der Klang dieser zwei Worte drückt wahrscheinlich mehr aus, als man im ersten Moment glauben würde. Eindrucksvolle, manchmal sogar bedrohend wirkende Bergriesen, dazwischen grüne Bergalmen und an den Berghängen faszinierde Obst- und Weingärten prägen neben gepflegten Ortsansiedlungen den Eindruck des staunenden Betrachters.
Südtirol hat sich dem Fremdenverkehr völlig ergeben und profitiert davon nicht nur durch seine unzähligen Wintersportzentren. Führend auch im Sommertourismus bietet Südtirol Bergwandern, Klettern und noch viele weitere Freizeitmöglichkeiten. Dadurch wird Südtirol zu einem sehr beliebten Ganzjahresurlaubsgebiet. Die Südtiroler sind eine stolze Volksgruppe, die mit ihren Wurzeln und ihrer Tradition wunderbar umgeht, was in ihrer Zweisprachigkeit und ihrer kulturellen Hingabe bestens zum Ausdruck kommt. Der größte Reichtum der Südtiroler sind ihre herrlichen, majestätischen Berge. Erschlossen durch oftmals abenteuerlich wirkende Bergstraßen ist die Bergwelt fast immer ganzjährig auch für den modernen und mit einem Fahrzeug fahrenden Touristen erreichbar. Wir wollten den Sommertourismus in Südtirol erleben und unternahmen eine Fahrt über 7 Dolomiten-Pässe. Aber auch die bekanntesten Weinanbaugebiete standen auf unserem Reiseplan, und wir schauten uns auch in diesen Regionen etwas um.
Ausgangspunkt war für uns die malerische Gemeinde Schenna, welche nur wenige Kilometer neben und etwas oberhalb von Meran auf einer Seehöhe von etwa 600 Meter liegt. Eingebettet in Weinberge und Obstanbauflächen hat sich aus der früheren bäuerlichen Landgemeinde in den letzten Jahrzehnten einer der beliebtesten ganzjährigen Tourismusorte Südtirols entwickelt.
Von Schenna weg und an Bozen vorbei starten wir unsere Autotour über 7 der bekanntesten Dolomiten-Pässe, wobei man teilweise Höhen von knapp 2.400 Meter Meereshöhe erreicht und dabei schon mal an die 12.000 Höhenmeter überwinden muss.
Durch das Tiersertal erreichen wir unseren ersten Pass, den 1.630 Meter hohen Nigerpass. Vorbei am sogenannten Rosengarten wartet bereits Pass Nr. 2, der 1.745 Meter hohe Karrerpass. Es sind dies aber nur die Vorboten der bedeutend höheren Dolomitenpässe, welche wir nun durch das Fassatal ansteuern. Linker Hand wird bereits die beeindruckende Kulisse der Sella Gruppe sichtbar, und zur Rechten wird unser Blick von der 3.342 Meter hohen Marmolada angezogen. Alle Gipfel, die sich unserem Blick bieten, hier aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen.
Als wir den kleinen Ort Canazei erreichen, stehen wir am Fuße der ersten wirklichen Herausforderung unserer Rundfahrt. Wir durchfahren die ersten der insgesamt 24 Kehren hinauf auf den Passo Pordoi, das Pordoijoch. Auf der Passhöhe in 2.299 Meter angekommen weiß man im ersten Moment nicht, in welche Richtung man zuerst sehen soll. Mächtige Dreitausender wie der Piz Selva, Piz Boe, Gran Vernel, Marmolada, Cima del Uomo und so weiter, und so weiter. Die Kehrenorgie geht aber weiter. Nach kurzer Abfahrt in das Dorf Arabba beginnt die Straße bereits wieder anzusteigen, und die ersten Kehren kündigen den nächsten Giganten unserer Fahrt durch die Dolomiten an.
Vorbei am Col di Lana und am Castello di Andraz erreichen wir nach 19 engen Kehren den Falzaregopass. Seine Höhe von 2.105 Meter erscheint im ersten Moment durchaus leicht zu befahren, jedoch sind die sehr engen Kehren die Momente, welche auch geübten Autofahrern Respekt abverlangen. Gleich auf der Passhöhe und noch benommen von der herrlichen Aussicht auf die übrigen Bergriesen, zweigen wir nach links ab. Da wir uns noch immer auf rund 2.000 Meter Seehöhe befinden, ist die kurze Auffahrt auf die 2.197 Meter des Passo di Valparola fast unspektakulär. Auf der Abfahrt in Richtung Alta Badia ist es Zeit für eine richtige Pause für unser Fahrzeug. Wir halten in Sankt Kassian und fahren mit einer Gondelumlaufbahn auf den 2.100 Meter hohen Piz Sorega.
Obwohl wir uns eigentlich in einem Wintersportort befinden, sind auch hier viele Bergwanderer unterwegs. Nach einer Stärkung im Gipfelrestaurant und der Abfahrt mit der Gondelbahn setzen wir unsere Reise durch die Bergwelt Südtirols fort. Dolomitenpass Nr. 6 ist das Grödnerjoch.
Auch hier windet sich eine faszinierende Bergstraße mit vielen Kehren auf 2.121 Höhenmeter. Mit der Abfahrt in das Grödnertal verabschieden wir uns von den 2.000er-Pässen. Durch Wolkenstein, Sankt Christina und Sankt Ulrich passieren wir drei der bekanntesten Wintersportorte der Region. Doch wie schon in allen anderen „Wintersportorten“ kann man auch hier die offensichtlich ausgebuchten Hotels und die vielen Sommertouristen Südtirols sehen.
Den Abschluss unserer Rundfahrt bildet die Fahrt über den 1.442 Meter hohen Panida Sattel, wonach wir den Ort Kastelruth erreichen. Der Heimatort der Musikgruppe der „Kastelruther-Spatzen“ schmiegt sich wunderbar in die nun nicht mehr hohen Berge ein, doch leuchten die Dolomitenriesen in der Nachmittagssonne nach wie vor zu uns herüber. Über Seis (die Fahrt über die Seiseralm lassen wir jedoch aus) und Völs erreichen wir wieder den Raum Bozen und fahren zu unserem Ausgangsort Schenna zurück.
Um auch von der anderen Seite Südtirols berichten zu können, fahren wir wieder von Schenna hinunter nach Meran und durch das sehr breite Etschtal Richtung Bozen. Wir folgen der sogenannten „Sissi-Straße“ und weiter über die Südtiroler Weinstraße nach Terlan. Bozen, wo die beiden Hauptflüsse Südtirols, Etsch und Eisack, zusammenfließen und das romantische Sarntal endet, wird auf dieser Fahrt nur am Rande berührt. Um auf Bozen und seine bezaubernde Umgebung einen besseren Ausblick zu erlangen, nehmen wir noch einmal eine Bergstraße in Anspruch. Von Eppan aus erreichen wir über eine wild-romantische Bergstraße, natürlich auch hier mit vielen Kehren, den Passo di Mendolo – den Mendelpass.
Knapp 1.400 Meter hoch und auch mit einer Standseilbahn erreichbar, ist die Bergstraße auf den Mendelpass seit jeher eine beliebte Motorradstrecke. Doch auch eine Unzahl von Radfahrern versucht sich auf den teilweise bis zu 10%-igen Steigungen zu beweisen. Von der Passhöhe bietet sich ein sagenhafter Ausblick in das südliche Etschtal, auf die Ausläufer von Bozen und die riesigen Obstplantagen und Weingärten dieses Bereiches.
Nach einer abenteuerlichen Abfahrt vom Mendelpass – man weiß nie, soll man mehr auf die große Zahl der Radfahrer oder auf die der Motorradfahrer achten – befinden wir uns bereits mitten im riesigen Obstanbau- und Weinbaugebiet des Etschtales. Die bekanntesten Orte hier sind vor allen Kaltern und Tramin.
Beim Obstbau überwiegen absolut die großen Apfelanbaugebiete. Hier werden, zumeist durch Hagelnetze geschützt, die bekannten Sorten Elstar, Gala, Pinova, Golden Delicious, Red Delicious und viele weitere Apfelsorten kultiviert. Ebenso verbreitet, jedoch mehr auf den sanften Hügeln des Tales liegend, sind die Weingärten der Region. Die Gebiete in und um Kaltern oder die Anbaugebiete in Tramin sind hier tonangebend. Die Weine der Region sind nicht nur bei den Weinkennern bekannt und beliebt. Sorten wie Kalterersee Clasico, Vernatsch, Goldmuskateller, Traminer, Gewürztraminer, Pinot Grigio usw. werden hier seit vielen Jahrzenten gepflegt. Große Weinkellereien entstanden und tragen neben dem Apfelanbau wesentlich zur wirtschaftlichen Höhe der Region bei. Zusätzlichen Anreiz bieten die beiden kleinen Seen der Region, zum einem der Kalterer See oder Lago di Caltaro und der nur unweit davon gelegene Lago di Monticolo, auch als Montiggler See bekannt. Nach einer kurzen Rast in einem der vielen Weingüter und nach kräftiger Stärkung mit Südtiroler Schinkenspeck und frischem Bauernbrot, fahren wir wieder zu unserem Ausgangspunkt, nach Schenna, zurück.
Den Abschluss unserer Rundreise bildet der Heimweg Richtung Brennerpass, wobei wir über Meran und durch das Passaiertal Richtung Norden fahren. Wir passieren die Orte Sankt Martin und Sankt Leonhard, und hier muss man sich entscheiden, ob man weiter dem Passaiertal folgt. Dieser Weg führt dann nämlich über das Timmelsjoch Richtung hinteres Ötztal. Die zweite Möglichkeit, Südtirol auf der Straße Richtung Österreich zu verlassen, ist, über den 2.100 Meter hohen Jaufenpass nach Sterzing zu fahren und dort über den Brennerpass zu reisen.
Unsere kleine Rundfahrt dauerte nur wenige Tage, doch die Eindrücke, welche wir gewinnen konnten, werden mit Sicherheit sehr lange unsere Gedankenwelt beeinflussen. Die Faszination der Südtiroler Bergwelt, die wunderschöne Landschaft, die besonders fremdenverkehrsfreundliche Bevölkerung und die kulinarischen Genüsse der Region werden uns mit Sicherheit schon bald wieder nach Alto Adige oder, wie wir Österreicher sagen, Südtirol locken.
Weitere Infos finden Sie unter www.schenna.com und www.suedtirolclassic.com.
Fotos und Text: Franz Dohnal