Der Stadtgrundriss von Astana besteht aus einem Band, das die Regierungsbauten zeigt. Sie sind in einer Diagonale angelegt. Auch die saudische Bin Ladin-Gruppe wurde damals als möglicher Bauer gebeten, Projektvorschläge einzubringen. Die Bin Ladin -Gruppe ist ja sehr stark im Bereich Großbauprojekte, v.a. im arabischen Bereich.
Astana ist ja auch eine große Baustelle, und es gab eigentlich keinen wirklichen Startschuss zum Bauen – es waren bereits viele Bauprojekte in Arbeit als 2001 die großen Arbeiten begannen. Inmitten dieser öden Gegend, in welcher Astana liegt, müht sich ein 200 Meter hoher Turm in die Höhe. Die schlanke Vertikale wirkt in der flachen Landschaft, als habe man auf einer Karte mit der Nadel die neue Hauptstadt markieren wollen. Auf der westlichen Seite wächst der 27-geschoßige Zwillingsturm des staatlichen Ölkonzerns in die Höhe, während auf der östlichen Seite Bagger und Planierwalzen auf einem Areal, wo einst Datschen standen, den Bau des Präsidentenpalastes hinpflanzten. Die Kapitale ist eine Stadt der zwei Geschwindigkeiten. Hier die ansässige Bevölkerung die sich teilweise selbst versorgt, dort die Baustellen, die ein neues, ein modernes und weltoffenes Astana zeigen möchten. Die Kapitale selbst soll bis 2017 zur EXPO fertig sein. Für Touristen ist es interessant, durch die Stadt zu gehen, doch werden sie wahrscheinlich nach ein oder zwei Tagen auch schon wieder genug haben von der Stadt die am Reißbrett entworfen worden ist. Es fegt der Wind durch die Stadt, und es ist nach längerem Fußmarsch leider kaum möglich, ansprechende Cafes oder Wirtshäuser zu finden.
Wenn Sie doch das eine oder andere gefunden haben, dann tun Sie gut daran, wenn Sie sich dieses merken. Wir waren in der Umgebung von Astana rund drei Tage und dürfen vielleicht vier Lokale als ansprechend empfehlen – mehr war leider im Jahr 2014 (noch) nicht drin. Auch ein Mitarbeiter des kasachischen Außenministeriums fand keine schönen Worte über Astana und hat uns versichert, dass uns Almaty mit Sicherheit x-mal besser gefallen wird – so war es denn auch, aber bleiben wir noch kurz bei der Kapitale Kasachstans. Entlang des Flussufers (der Fluss ist eigentlich nur aufgestaut – man kann dort schwimmen gehen) wurden die Wohnungen für die vielen Regierungsbeamten erbaut.
Da das Ufer nie bewohnt war und der Ishim nach der Schneeschmelze regelmäßig Wasser an Land brachte, gaben die Bewohner manchen Bauten die Namen Kursk und Titanik. Die Fahrt mit dem Aufzug hinauf zur Aussichtsplattform in einer vergoldeten Kugel öffnet den Blick über ein Sammelsurium architektonischer Gigantomanie. Aus 100 Metern Höhe lässt sich Kasachstans neue Hauptstadt bestaunen:
Spätestens, seit die Kasachen ihre erste Ölpipeline in Richtung China in Betrieb genommen haben, scheint für den Clan um Präsident Nursultan Nasarbajew Geld keine Rolle mehr zu spielen. Nasarbaijew ist denn auch der einzige Politiker des Landes. Es gibt niemand neben ihm und seinem Familienclan. Geschätzte 2000 Baukräne sollen derzeit in Astana stehen. Größenwahn und Petrodollars schaffen eine Atmosphäre, in der Stararchitekten wie Norman Foster oder eben Kurokawa ihre Fantasien ausleben dürfen.
Der Brite Norman Foster ist für die Glaskuppel am deutschen Reichstag bekannt. Ähnlich sieht übrigens auch der Präsidentenpalast in Tiflis aus (siehe Reisebericht über Tiflis). Diese Glaskuppel gibt es nun auch in Astana. Die zwei Kilometer lange Allee führt zu einem Wigwam. Diese Behausung soll 10.000 Menschen beherbergen und an den grossen Dschingis Khan erinnern. In der Mitte der Achse Astanas befindet sich ein Gebäude, das aussieht wie der Fussballpokal – der „Baum des Lebens“ ist die offizielle Bezeichnung.
Fahren Sie mit dem Lift hinauf und sehen Sie die Diagonale Astanas. Als kleines Zuckerl dürfen Sie Ihre Hand in die goldene Hand des Übervaters Nursultan Nasarbaijew legen. Sie soll wahrscheinlich Glück bringen. Problematisch bei all den neuen Gebäuden, die sich in Astana zeigen,sind das Material und der Pfusch am Bau. Die Gebäude müssen den massiven Temperaturschwankungen von bis zu 60 Grad Stand halten. Es gibt ein spezielles Betongemisch, das das alles aushalten soll. Doch teilweise (vor allem die Titaniks und Kursk’s) sehen die Gebäude auch schon wieder sehr alt aus. Die weit mehr als zehn Milliarden Euro, die Astana bisher gekostet haben soll, füttert die Brieftaschen der Familie des Präsidenten, aber sicher nicht die der Einheimischen. Sie müssen immer weiter weg ziehen, damit sich die Stadt aus Stahl, Beton und Glas weiter ausdehnen kann. Ihre Häuser samt ihren Gemüsegärten haben sie schon längst aufgeben müssen. Die hätte man angeblich nicht im Jahr 2000 sehen können. Heute steht wahrscheinlich ein gigantischer Betonblock dort, umhüllt von Glas.
Text und Fotos: Wolfgang Glass