ReiseGuru war unterwegs in der autonomen Republik Krim im Norden des Schwarzen Meeres und der Republik KaZantip der Ukraine. Hier lesen Sie Teil 2 unseres Reiseberichts.
Die nächste Fahrt war nach Jalta. Jalta ist eigentlich das Hauptreiseziel auf der Krim. Der Kur- und Urlaubsort mit einer atemberaubenden Strandpromenade befindet sich mehrere Stunden von Simferopol entfernt. Man kann natürlich auch in einer Stunde dort sein (sind ja nur 90 km). Doch da auf der Krim die längste Trolley-Buslinie der Welt ist, mussten wir auch diese ausprobieren. Aufgrund des milden subtropischen Klimas entwickelte sich Jalta schon im 19. Jahrhundert zum Kurort. Heute ist es ein beliebter Klima- und Badeferienort von Ukrainern und Russen. Die Trolley-Buslinie wurde seinerzeit erbaut, um das Kurgebiet nicht mit Autoabgasen zu sehr zu belasten. Wir nahmen uns also Zeit, für´s rasche Reisen und reisten auf den Spuren der alten Völker in einem ausrangierten Skodabus, wo die Sonne über drei Stunden reinknallte. Der Dreck klebte seit Dekaden am Sitz und an den Fenstern. Diverse Schweißgerüche vermischten sich in dem in der Sovjetzeit erbauten Bus.
Die Fahrt war zwar keinesfalls komfortabel, doch muss “interessant” ja auch nicht gleich “gemütlich” heißen. Auf den Passtraßen sah man ohnehin die schöne neue Welt: Dort hatten die Mercedes und Schnellbusse Vorfahrt. Unser alter Bus konnte mit der neuen Zeit nicht mehr mithalten und schnaufte permanent als es wieder hinauf ging. So betagt der Bus war, so waren das auch die Mitfahrer (Ausnahme waren die zwei Touristen aus Wien). Der Trolleybus mühte sich das Gebirge hinauf und auf der anderen Seite, vorbei an Stalins ehemaligem Anwesen in Richtung Jalta wieder hinab. Eine Freude war es, als wir endlich ankamen und stolz sagen durften: Wir fuhren mit der längsten Trolleybuslinie der Welt, wo man reisen noch spürt und eins werden kann mit dem Räderwerk aus vergangen geglaubten Zeiten.
Die Reisenden waren in der Regel Rentner, die aus Kostengründen diese Art der Reise vorzogen. Dass sich Touristen in derlei Gefährte zwängen ist eher selten, aber eigentlich schade, da man auch viel auf solchen Fahrten erleben kann. Der Busfahrer freute sich jedenfalls sehr, als er hörte, dass wir aus Österreich kamen und verband dies Land gleich mit dem seiner Meinung nach besten “Ballesterer” der Welt: Herbert Prohaska. Und noch eine Info zu dem Bus: am 6. November 1959 überwand erstmals ein Oberleitungsbus das Krimgebirge nach Aluschta. Mit dabei: Väterchen Lenin himself – als Porträt am Kühlergrill. Im Schnitt fuhr man damals knapp 40 km/h. Heute waren es vielleicht 45.
In Jalta angekommen geht es natürlich sofort zur Strandpromenade. Das ist das Nizza vom Osten. Wunderschön.
Cafes en masse, Geschäfte auch, viele Menschen aber keine Touristen – schon gar keine Massentouristen. Die Menschen kommen hier aus Russland oder der Ukraine. Am Ende der Meerpromenade (mit einem durchgehenden Badestrand – doch wie bereits beim Strand von Sewastopol ist Schwimmen eher nicht empfohlen) geht es rauf zum Liwadija Palast.
Dort fand am Ende des 2.Weltkriegs die berühmte Jaltakonferenz statt. Im Hinblick auf die baldige totale Niederlage Nazi-Deutschlands tagten hier (damals war das Gebiet um die Krim Sovjetterritorium) die alliierten Staatschefs, US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der britische Premierminister Winston Churchill und der Vorsitzende des Rates der Volkskommissare der UdSSR, Josef Stalin, um gemeinsame Strategien für die Beendigung des Kriegs und die Gestaltung der Nachkriegszeit zu entwickeln. Das Gebäude gibt von außen nicht viel her. Es ist ein weißes, sehr gepflegtes aber auch schnörkelloses Gebäude und steht ob der Stadt. Dementsprechend schön ist auch der Blick, den man von dort aus auf die Stadt hat. Ein perfekter Ort also zum Aufatmen und Erholen. Und kein Wunder, dass dies auch der bevorzugte Sommersitz von Zar Nikolaus II. und seiner Familie war. 1910/1911 ist dieser Bau – an der Stelle einer früheren kaiserlichen Residenz – nach den Wünschen des Zaren im italienischen Renaissance-Stil errichtet und mit den damals modernsten Annehmlichkeiten wie Strom und Telefon ausgerüstet worden.
Hinab geht es durch eine schöne Parkanlage oder über die Strasse (ein Bus fährt auch). Jalta ist wunderschön, vor allem aber im Sommer empfehlenswert, so wie die ganze Krim. Die vielen Pinien, Palmen und Zypressen, das dunkelblau leuchtende Meer, die angenehme Wärme und das würzige Duftgemisch von Blumen und Salzwasser vermitteln der Stadt und ihrer Umgebung eine einzigartige südliche Atmosphäre.
Von der wunderschönen Hafenstadt aus ist unser nächster Stopp die Region Bachtschyssaraj. Die Heimat der Krim-Tartaren. Die Region besteht aus knapp 100.000 Personen, die sich auf eine Stadt und kleinere Weiler aufteilen. Das Khanat der Krim wurde von hier aus regiert – der zugehörige Palast steht mitten in der Stadt. Der Busplatz ist übrigens am Ende der Stadt – menschenleer, dafür gibt es aber viele streunende Hunde.
Von dort aus geht man etwa zwei Kilometer in die Stadt. Aufpassen muss man beim retour Fahren. Die Busse gehen nicht bei der Bushaltestation weg, sondern beim weiter unten gelegenen Kreisverkehr (bei der jeweiligen Ausfahrt in welche Richtung Sie eben möchten). 1944 lie0 Stalin die Krimtartaren auf die Krim deportieren, und Bachtschyssaraj wurde die Hochburg dieser. Zu sehen gibt es hier nicht viel. Man muss geschichtlich und politisch interessiert sein, um sich mit dem enormen Flair, das dieser Ort hat, zufrieden geben zu können. Optisch wird hier nämlich eher wenig geboten.
Jewpatorija – Popovka – Republik KaZantip:
Die letzte Tour führt uns ähnlich wie Sewastopol an den Westen der Halbinsel, nach Jewpatorija. Auch hier ist dasselbe schöne Ambiente bewundernswert.
Eine wunderschöne Strandpromenade und viele schöne restaurierte alte Häuser, die mit viel Stuckatur optisch reizen. Doch Jewpatorija ist insofern anders als die anderen Touren der Krim, als dass sich das Publikum zu bestimmten Zeiten im Sommer (August) ändert. Der Grund ist ganz klar. Binnen einer halben Stunde Fahrzeit mit dem Taxi (max. 20 Euro) durch eine gähnende Leere bestehend aus brettelebenen Feldern erreicht man die Ortschaft Popovka. Direkt an der Ortschaft anschließend an das Meer ist das größte Technofestival – KaZantip. Das Festival steigt jedes Jahr seit über zwei Jahrzehnte im stillgelegene Kernkraftwerk der Krim. Eine Art Zwentendorf also. Das Interessante ist, dass man mit dem Betreten des Festivals (der Eintritt kostet 100 Dollar) auch eine eigene Republik betritt, deren Präsident der Erfinder und Organisator des Techno-Festivals ist und seine Minister für Sound und gute Laune das Unterhaus repräsentieren. Willkommen in der Republik KaZantip. Anfangs waren die Bewohner der 500 Einwohner zählenden Gemeinde Popovka nicht sehr begeistert über die schätzungsweise 100-200.000 Partygäste. Doch mittlerweile, erzählt uns der Taxifahrer, hat man sich gut arrangiert, und das Geld stimmt eben auch, das die Gäste mit in die Region bringen.
Alles in Allem fällt es mir schwer zu sagen, welche der fünf Touren auf der Krim die schönste war. Die Krim ist einfach eine Perle des Schwarzen Meeres, soviel steht fest!
Bericht und Fotos: Wolfgang Glass